LKW Schwertransport Inhalte der Genehmigungen und der Erlaubnis
Ausnahmegenehmigung gem. § 70 StVZO (sog. „70er“):
6.1.1. Gesetzliche Grundlage
Gesetzliche Grundlage für die Genehmigung einer Ausnahme ist § 70 StVZO. Nach § 70 Abs. 1 Nr. 1 StVZO können die höheren Verwaltungsbehörden in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte einzelne Antragsteller u. a. von den Vorschriften der §§ 32 (Abmessungen von Fahrzeugen und Fahrzeugkombinationen), 32d (Kurvenlaufeigen-schaften), und 34 (Achslast und Gesamtgewicht) befreien. Nach Nr. 2 dieser Vorschrift können die zuständigen Landesbehörden oder die von ihnen bestimmten oder nach Landes-recht zuständigen Stellen Ausnahmen genehmigen von allen Vorschriften der StVZO, es sei denn, dass die Auswirkungen sich nicht auf das Gebiet eines Landes beschränken und eine einheitliche Entscheidung erforderlich ist.
§ 70 Abs. 1 StVZO ist keine bloße Zuständigkeitsregelung, sondern auch eine materielle Ermächtigung zur Erteilung von Ausnahmen von den in den verschiedenen Nummern des in § 70 Abs. 1 StVZO angesprochenen Vorschriften der Verordnung.
Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ist eine Ermessensentscheidung (§ 40 VwVfG) der Behörde.(1) Dabei ist das in der Norm enthaltene Merkmal der Ausnahmesituation nicht als eigenständige Tatbestandsvoraussetzung verselbständigt, sondern Bestandteil der der Behörde obliegenden Ermessensentscheidung. Die Feststellung ob ein besonderer Ausnahmefall vorliegt, setzt den gewichtenden Vergleich der Umstände des konkreten Falles mit dem typischen Regelfall voraus, der dem generellen Verbot zugrunde liegt.(2) Die Genehmigung einer Aus-nahme kommt in Betracht, um besonderen Ausnahmesituationen Rechnung zu tragen, die bei strikter Anwendung der Bestimmungen nicht hinreichend berücksichtigt werden können. Die behördliche Ermessensentscheidung hat einerseits zu beachten, ob die Auswirkungen einer Ausnahmegenehmigung den Zielen des Verbots nicht zuwiderlaufen, andererseits hat sie eine geltend gemachte und bestehende Ausnahmesituation in diesem Lichte zu gewichten.(3) Wirtschaftlichkeitsaspekte - oder auch Gründe des Umweltschutzes- spielen hierbei keine Rolle. Die Ausnahmegenehmigung muss grundsätzlich vor Beginn der Fahrt vorliegen; aber auch eine rückwirkende Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ist – in besonderen Fällen - zulässig.(4)
6.1.2. Ansatzpunkt für das Vorliegen einer Ausnahmesituation: die Ladung
Während für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO generell unter-schiedliche Gründe in Betracht kommen können, ist Ansatzpunkt für die Erteilung einer Aus-nahmegenehmigung für Schwertransporte grundsätzlich nur die Ladung. Deren außerge-wöhnliche Dimensionen müssen also den Einsatz eines Fahrzeug erfordern, das die „Nor-malmaße“ der StVZO sprengt.
In einer modernen Volkswirtschaft, die auf Mobilität und Güteraustausch angelegt ist, ist es unumgänglich, auch überdimensionierte Ladungen (z.B. Brückenteile, Generatoren, Trans-formatoren, schweres Arbeitsgerät) befördern zu können. Der Ausnahmecharakter der Ge-nehmigung nach § 70 StVZO verlangt jedoch, dass der Transport auf andere Art und Weise nicht abgewickelt werden kann (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit); rein wirtschaftliche Aspekte i. S. einer „Streckenminimierung“ zählen nicht. Das stellt besondere Anforderungen an die „Qualität“ der Ladung: entsprechend den Richtlinien des Bundesministers für Verkehr (5) dürfen Ausnahmegenehmigungen nur unter der Bedingung (6) erteilt werden, dass die entspre-chenden Fahrzeuge ausschließlich zum Transport von unteilbarer Ladung verwendet werden dürfen, die mit Fahrzeugen, die den in der StVZO zugelassenen Abmessungen entsprechen, nicht befördert werden können.
Von der gesetzlichen Konstruktion her soll eine Ausnahmegenehmigung immer nur das „letzte Mittel“ sein. Fraglich ist hierbei, ob einem Unternehmer, der einen Transportauftrag erhalten hat, die Erteilung einer 70er abgelehnt werden kann mit dem Hinweis, dass „auf dem Markt“ Fahrzeuge vorhanden sind, bei deren Verwendung eine Ausnahme nicht notwendig ist (z. B. Einsatz einer 3-Achs-Zugmaschine statt einer 4-Achs-Zugmaschine bei Längenüber-schreitung der Fahrzeugkombination, ohne dass der 4-Achser wegen des zulässigen Ge-samtgewichtes benötigt wird).(7) Stellt man darauf ab, dass es wegen der Erteilung eines Trans-portauftrags an einen bestimmten Unternehmer um einen konkreten Einzelfall handelt, ist wohl entscheidend, dass dieser Unternehmer den Auftrag mit Fahrzeugen aus seinem vorhan-denen Fuhrpark so gesetzeskonform wie möglich abwickeln kann; ein Zwang, sich andere Fahrzeuge zu besorgen, besteht nicht.
Vor Genehmigung einer Ausnahme von den §§ 32, 32d und 34 StVZO sind die obersten Stra-ßenbaubehörden der Länder und, wo noch nötig, die Träger der Straßenbaulast zu hören (§ 70 Abs. 2 StVZO).
Durch den Verwaltungsakt (8) der Ausnahmegenehmigung werden materiell-rechtliche gesetzli-che Vorschriften außer Kraft gesetzt und es wird gleichsam neues objektives Recht für den Einzelfall geschaffen. Insofern wird das geltende Recht ad hoc aufgehoben oder geändert. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung kommt deshalb ihrem Wesen nach einer besonderen Art von Rechtsetzung durch einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt gleich.
Beispiel: Ein Behörde erteilt eine Ausnahmegenehmigung von der Vorschrift des § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StVZO und genehmigt für einen Sattelanhänger eine Breite von 3,10 m (für den Transport unteilbarer Ladung). Wenn auf diesem Anhänger ein Maschinenteil transportiert wird, das 3, 0 m breit ist, gilt nicht mehr die in der StVZO im § 32 gesetzlich festgelegte Breite, sondern der „neue“ Wert von 3,10 m.
Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung erfolgt i. d. R. aufgrund des Gutachtens (sog. „Ausnahmegutachten“ (9)) eines Sachverständigen (10), das vom Antragsteller zusammen mit dem Antrag und einer Versicherungsbestätigung der Genehmigungsbehörde zur Entscheidung vor-zulegen ist. Das Gutachten besteht aus einer Beschreibung des Fahrzeuges bzw. der Fahr-zeugkombination (Sattelzugmaschine mit Sattelanhänger, Zuggutachten), aus einer Aufli-stung der Abweichungen und aus Vorschlägen für Auflagen und /oder Bedingungen. Aus der Versicherungsbestätigung muss hervorgehen, dass auch Schäden abgedeckt sind, die mit Fahrzeugen verursacht werden, die in bestimmten Punkten nicht der StVZO entsprechen, sofern dafür eine Ausnahmegenehmigung vorliegt. In vielen Fällen (den „Standard-Fällen“ nach der Richtlinie zu § 70 StVZO) wird über die gesetzlich vorgeschriebene Kfz-Haftpflichtversicherung hinaus für Schäden aus Verschulden ein Deckungsschutz in Höhe von mind. 25.564.594,- € - bei Personenschäden aber max. 3.834.689,- € je Person- verlangt.
Die Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO ist fahrzeugbezogen und gilt damit (11) eigentlich – als dinglicher (sachbezogener) Verwaltungsakt- auch bei einem Halterwechsel gegen-über dem neuen Halter (12). Die Ausnahmegenehmigung für Großraum- und Schwertransporte wird aber ausdrücklich nur für den jeweiligen Halter erteilt; bei Halterwechsel ist die Geneh-migung „umzuschreiben“.(13)
In die Fahrzeugpapiere werden die gesetzlich bzw. amtlich zulässigen Grenzwerte eingetragen (14). Die technisch möglichen höheren Maße und Gewichte werden in Nr. 33 (Fahrzeug-schein in der Fassung vor Oktober 2005) bzw. Nr. 22 der Zulassungsbescheinigung Teil I unter Hinweis auf eine notwendige Ausnahmegenehmigung eingetragen. Diese technisch möglichen höheren Werte dürfen nur in Anspruch genommen werden, wenn eine Ausnahme-genehmigung tatsächlich erteilt worden ist.
6.2. Die Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO
6.2.1. Grundsätzliches und Abgrenzung zu § 70 StVZO und der Ausnahmegenehmi-gung nach § 46 Abs. 1 Nr. 5 StVO
Gem. § 29 Abs. 3 Satz 1 StVO bedarf einer Erlaubnis der Verkehr mit Fahrzeugen und Zü-gen, deren Abmessungen, Achslasten oder Gesamtgewichte die gesetzlich allgemein zugelas-senen Grenzen tatsächlich überschreiten. Im Gegensatz zu der Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO, die die Betriebserlaubnis (§19 StVZO) für die Schwer- und Großraumtransporter ermöglicht, setzt die Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO diese Zulassung der Fahrzeuge voraus und regelt deren Einsatz. (15) Entsprechend bestimmen die Verwaltungsvorschriften zu § 29 StVO (16), dass Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen, deren Abmessungen, Achslasten oder Gesamtgewichte die nach den §§ 32 und 34 StVZO zulässigen Grenzen überschreiten, einer Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO bedürfen bzw. dass diese Ausnahmegenehmigung vorzulegen ist.
Eine Erlaubnis ist dagegen nicht erforderlich, wenn
- nicht das Fahrzeug oder die Fahrzeugkombination, sondern nur die Ladung zu breit oder zu hoch ist oder die Vorschriften über die Abmessungen nur deshalb nicht eingehalten werden, weil die Ladung nach vorn oder nach hinten zu weit hinausragt; in diesem Fall ist nur eine Ausnahme von den in Betracht kommenden Vorschriften des § 22 und ggf. des § 18 Abs. 1 Satz 2 StVO erforderlich,
- eine konstruktiv vorgesehene Verlängerung oder Verbreiterung des Fahrzeugs (z.B. durch Ausziehen der Ladefläche oder Ausklappen oder Anstecken von Konsolen usw.) nicht oder nur teilweise erfolgt und das Fahrzeug in diesem Zustand den Bestimmungen des § 32 StVZO entspricht,
- bei einem Fahrzeug, dessen Zulassung einer Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO bedarf, im Einzelfall das tatsächliche Gesamtgewicht und die tatsächlichen Achslasten nicht die in § 34 Abs. 3 StVZO festgelegten Grenzen überschreiten bzw. nach § 35b StVZO keine Sichtfeldeinschränkung vorliegt.
(RN 81 ff. VwV zu § 29 StVO)
6.2.2. Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis
Die Erlaubnis nach § 29 StVO regelt den „Einsatz“ der vorher mit einer Ausnahme zugelas-senen Fahrzeuge. Eine Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO ist also eben nicht erforderlich, wenn die Überlänge des Fahrzeugs lediglich durch die Ladung verursacht wird (also ladungs-, nicht konstruktionsbedingt) (17). Eine 29er wird dagegen aber auch benötigt für die Überführung eines Fahrzeugs oder einer Fahrzeugkombination, dessen/deren tatsächliche Abmessungen, Achslasten oder Gesamtgewichte die nach §§ 32 und 34 StVZO zulässigen Grenzen überschreiten.(18)
Eine 29er ist auch erforderlich, wenn ein Fahrzeug so konstruiert ist, dass es dem Fahrer kein ausreichendes Sichtfeld lässt (sog. „Sichtfeldeinschränkung“, § 29 Abs. 3 Satz 2 StVO). Nach § 35b Abs. 2 StVZO muss für den Fahrzeugführer unter allen Betriebs- und Witterungsver-hältnissen ein ausreichendes Sichtfeld gewährleistet sein.
Auch die Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO ist eine Art „Ausnahmegenehmigung“. Denn grundsätzlich bedarf die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr keiner spezifischen Zulassung.(19) Die Erlaubnisbehörde hat in einem konkreten Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden und dabei alle betroffenen Interessen sorgfältig abzuwägen.(20) Für Er-teilung der Erlaubnis müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:(21)
Die Erlaubnis kann für die Beförderung folgender Ladungen erteilt werden (vgl. § 70 StVZO):
- Einer unteilbaren Ladung. Unteilbar ist eine Ladung, wenn ihre Zerlegung aus techni-schen Gründen unmöglich ist oder unzumutbare Kosten verursachen würde.
Als unteilbar gilt auch das Zubehör von Kränen.(22)
- Einer aus zwei Teilen bestehenden Ladung, wenn die Teile aus Festigkeitsgründen nicht als Einzelstücke befördert werden können und diese unteilbar sind.
- Mehrerer einzelner Teile, die je für sich wegen ihrer Länge, Breite oder Höhe die Benut-zung eines Fahrzeugs mit einer Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO erfordern und unteilbar sind, jedoch unter Einhaltung der nach § 34 StVZO zulässigen Gesamtgewichte und Achslasten.
- Zubehör zu unteilbaren Ladungen; es darf 10 Prozent des Gesamtgewichts der Ladung nicht überschreiten und muss in dem Begleitpapier mit genauer Bezeichnung aufgeführt sein.
- Weiterhin darf die Erlaubnis für die Überführung eines Fahrzeugs erteilt werden, das die Abmessungen und Gewichte nach der StVZO überschreitet.
Streckenbezogene bzw. verkehrsbezogene Voraussetzungen:(23)
- Für den gesamten Fahrtweg müssen Straßen zur Verfügung stehen, deren baulicher Zu-stand durch den Verkehr nicht beeinträchtigt wird und für deren Schutz keine besonderen Maßnahmen erforderlich sind, oder es darf wenigstens die spätere Wiederherstellung der Straßen oder die Durchführung jener Maßnahmen vor allem aus verkehrlichen Gründen nicht zu zeitraubend oder zu umfangreich sein.
- Der Verkehr darf nicht – wenigstens nicht zum größten Teil der Strecke – auf der Schiene oder auf dem Wasserweg möglich sein bzw. der Transport per Bahn oder per Schiff müsste unzumutbare Mehrkosten verursachen. (Diese Voraussetzung gilt gem. RN 143 VwV zu § 29 StVO nicht für Autokräne).
6.3. Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 5 StVO von den Vorschriften über Höhe, Länge und Breite der Ladung (§ 22 Abs. 2 bis 4 bzw. § 18 Abs. 1 StVO)
6.3.1. Die Regelungen des § 22 StVO:
- Fahrzeug und Ladung dürfen zusammen nicht breiter als 2,55 m und nicht höher als 4 m sein. Fahrzeuge, die für land- und forstwirtschaftliche Zwecke eingesetzt werden, dürfen, wenn sie mit land- oder forstwirtschaftlichen Erzeugnissen oder Arbeitsgeräten beladen sind, samt Ladung nicht breiter als 3 m sein. Sind sie mit land- oder forstwirtschaftlichen Erzeugnissen beladen, dürfen sie samt Ladung höher als 4 m sein.(24) Kühlfahrzeuge dür-fen nicht breiter als 2,6 m sein (Abs. 2).
- Die Ladung darf bis zu einer Höhe von 2,5 m nicht nach vorn über das Fahrzeug, bei Zü-gen über das ziehende Fahrzeug hinausragen. Im Übrigen darf der Ladungsüberstand nach vorn bis 50 cm über das Fahrzeug, bei Zügen bis zu 50 cm über das ziehende Fahrzeug betragen. (Abs. 3).
- Nach hinten darf die Ladung bis zu 1,5 m hinausragen, jedoch bei Beförderung über eine Wegstrecke bis zu einer Entfernung von 100 km bis zu 3 m. Fahrzeug oder Zug samt La-dung darf nicht länger als 20,75 m sein (Abs. 4).
6.3.2. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 5 StVO und das Verhältnis zu § 70 StVZO bzw. § 29 Abs. 3 StVO
Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen, die aufgrund ihrer Ladung die Abmessungen des §§ 18 Abs. 1 oder des § 22 Abs. 2 bis 4 StVO überschreiten, bedürfen einer Ausnahmegenehmi-gung nach § 46 StVO.
Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen, deren Abmessungen, Achslasten oder Gesamtge-wicht die nach den §§ 32 und 34 StVZO zulässigen Grenzen überschreiten, bedürfen außer-dem einer Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO. Solche Fahrzeuge bedürfen zusätzlich einer Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO.(25)
Beispiel:
Leergewicht des Lkw
10,00 t |
+ Nutzlast
+ 16,00 t |
= zul. Gesamtgewicht
= 26,00 t
|
wird nun eine um 10,00 t schwerere Ladung befördert, ergibt sich:
Leergewicht des Lkw
10,00 t |
+ Nutzlast
+ 26,00 t |
= zul. Gesamtgewicht
= 36,00 t |
Durch den Transport einer Ladung, deren Gewicht die nach den in § 34 StVZO genannten Werten berechnete Nutzlast überschreitet, ist auch das zulässig Gesamtgewicht des Fahrzeugs überschritten. Deshalb liegt auch eine Abweichung von § 34 StVZO vor!
Obwohl die Überschreitung des zGG durch die Ladung „verursacht“ wurde liegt ein Verstoß gegen die StVZO vor und deshalb ist in diesem Fall eine Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO i.V.m. einer Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO und nicht nach § 46 Abs. 1 Nr. 5 StVO erforderlich.
Gegebenenfalls ist es also möglich, dass bei einem Transport
- eine Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO (Bsp.: Fahrzeug und Ladung überschreiten zusammen das zulässige Gesamtgewicht nach der StVZO)
- eine Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO (wegen der Notwendigkeit einer Ausnahmegeneh-migung nach § 70 StVZO vom zulässigen Gesamtgewicht)
- eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 5 StVO (die Ladung führt nicht nur zu einer Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichts, sondern ragt nach hinten zu weit über das Fahrzeug hinaus)
gleichzeitig erforderlich werden.
Die – isolierte – Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 5 StVO ist je-doch nur möglich, wenn Abmessungen (siehe die Regelungen in § 22 Abs. 2 bis 4 StVO, von denen befreit werden soll: Höhe, Breite, Länge) nicht eingehalten werden. Überschreitungen von Gewichten und Achslasten betreffen immer § 70 StVZO und § 29 Abs. 3 StVO.(26)
6.3.3. Voraussetzungen für die Erteilung der Ausnahmegenehmigung
Wenn eine geeignete Fahrstrecke vorhanden ist und der Transport nicht über die Schiene/mit der Bahn abgewickelt werden kann, ist zusätzliche Voraussetzung, dass
- die Beschaffung eines Spezialfahrzeugs für die Beförderung unmöglich oder unzumutbar ist
- die Ladung nach vorn nicht über 1 m hinausragt.(27)
Weiterhin ist die Erteilung der Ausnahmegenehmigung (naturgemäß) zusätzlich noch für eine Ladung möglich, die aus mehreren einzelnen Teilen besteht, die je für sich mit ihrer Länge, Breite oder Höhe über die im Fahrzeugschein festgelegten Abmessungen des Fahrzeugs oder der Fahrzeugkombination hinausragen und (in sich) unteilbar sind.
Wesentliches Kriterium für das Vorliegen der Ausnahmesituation ist es damit, dass die Be-schaffung eines Spezialfahrzeugs nicht möglich ist, um das ladungsbezogene Hinausragen über die Fahrzeugsilhouette zu vermeiden.
6.4. Sondernutzungserlaubnisse nach § 8 FStrG oder nach Art. 18 BayStrWG i.V.m. Art. 21 BayStWG (28)
6.4.1. Abgrenzung Straßenrecht – Straßenverkehrsrecht
Die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) regelt und lenkt den Verkehr auf den öffentlichen Stra-ßen. Für die Verkehrsregelung auf öffentlichem Verkehrsgrund gelten die Bestimmungen des Straßenverkehrsrechts ausschließlich. Da es sich um sicherheitsrechtliche Regelungen handelt (29), betreffen sie sowohl öffentliche (gewidmete) Straßen als auch tatsächlich öffentliche Wege. (30)
Die Straßengesetze (z.B. Bayerisches Straßen- und Wegegesetz – BayStrWG) als sachen-rechtliche Regelungen gelten immer nur für öffentliche Straßen, die durch Widmung (31) dem Gemeingebrauch durch die Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden.
Während das Wegerecht die abstrakte Zweckbestimmung der öffentlichen Sache, also die abstrakte Verkehrsaufgabe festlegt, bezieht sich das Verkehrsrecht auf Ordnungsbedürfnisse, die erst durch die Art und Menge der bestimmungsgemäßen Benutzung der öffentlichen Straße entstehen. (32)
Das Straßenrecht will damit sicherstellen, dass alle Verkehrsteilnehmer die Straße benutzen können und nicht einige „verdrängt“ werden, weil sich andere zu „breit“ machen. Das Stra-ßenverkehrsrecht dagegen regelt, wie der Verkehr abzulaufen hat, damit niemand zu Schaden kommt.(33) Da es bei der Durchführung von Großraum- und Schwertransporten (auch) zu Stra-ßensperrungen kommen kann, liegt regelmäßig auch eine Sondernutzung i. S. der Straßengesetze vor.(34) Damit wäre grundsätzlich eine Sondernutzungserlaubnis nach Art. 18 BayStrWG erforderlich (ebenso § 8 Abs. 1 Satz 1 FStrG).
6.4.2. Entfallen der Sondernutzungserlaubnis nach straßenrechtlichen Kollisionsnor-men
Nach Art. 21 BayStrWG (Besondere Veranstaltungen) bedarf es keiner Erlaubnis nach Art. 18 Abs. 1, wenn nach den Vorschriften des Straßenverkehrsrechts eine Erlaubnis für eine über-mäßige Straßenbenutzung oder eine Ausnahmegenehmigung erforderlich ist.(35) In solchen Fällen ist jedoch die zuständige Straßenbaubehörde anzuhören; die von ihr geforderten Be-dingungen, Auflagen und Sondernutzungsgebühren sind dann dem Antragsteller in der Er-laubnis oder Ausnahmegenehmigung aufzuerlegen (Art. 21 Sätze 1 und 2 BayStrWG).
Zweck dieser Vorschrift ist eine Verfahrenskonzentration für die Fälle, in denen nach Stra-ßenrecht eine Erlaubnis nach § 29 StVO oder eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 StVO erforderlich ist. Materiell-rechtlich bleiben diese Sachverhalte aber dennoch Sondernutzungen.(36)
Merke: Der § 70 Abs. 1 StVZO ist die „besondere Zulassung“ für das Fahrzeug, wenn die Abmessungen, Achslasten oder Gesamtgewichte die gesetzlich allgemein zugelassenen Gren-zen tatsächlich überschreiten.
Für den Betrieb im öffentlichen Straßenverkehr bedarf es dann noch einer besonderen Erlaubnis, der sog. „Fahrterlaubnis“ gem. § 29 Abs. 3 StVO. Diese beiden Bescheide gehören immer zusammen!!!
Daneben oder zusätzlich kann die ladungsbezogene Ausnahmegenehmigung nach §46 Abs. 1 Nr. 5 StVO notwendig werden, wenn die Ladung über das Fahrzeug hinausragt und die ge-setzlichen Abmessungen der §§ 18, 22 StVO überschritten sind.
Sind gesetzliche Gewichtsgrenzen überschritten, sind jedenfalls immer eine 70er und eine 29er notwendig!!
Mitgteilt von Adolf Rebler. Oberamtsrat, Regensburg; Verfasser Leitfaden Großraum und Schwertransporte, 260 Seiten
(1) BVerwG, NVwZ-RR 2005, 711; VG Koblenz Urt. v. 15.05.2006 Az.: 4 K 1442/05. KO – Juris. Das VG Koblenz zu § 70 Abs. 1 Nr. 2 weiter: „Nach seinem Wortlaut enthält § 70 Abs. 1 Nr. 2 StVZO zwar eine pauschale Ermessensermächtigung zur Genehmigung von Ausnahmen von allen nicht speziell in § 70 Abs. 1 Nr. 1 StVZO angesprochenen Vorschriften der StVZO, die –abgesehen von der Einschränkung im 2. Halbsatz des § 70 Abs. 1 Nr. 2 – an keine weiteren einschränkenden Voraussetzungen gebunden ist. Die Vorschrift muss jedoch in ihrem systematischen Zusammenhang mit den Vorschriften der StVZO gesehen werden, von denen Ausnahmen ge-nehmigt werden sollen. Soweit diese speziellen Vorschriften konkrete Einschränkungen enthalten, unter denen eine Ausnahme von ansonsten zwingenden Regelungen nur in Betracht kommt, wirken sie sich als spezielle normative Beschränkungen des Ermessensspielraums für die Entscheidung über die Genehmigung von Ausnah-men aus.“
(2) BVerwG DAR 1997, 413.
(3) BVerfGE 40, 371; OVG Münster NZV 2000, 514.
(4) Lütkes/Ferner/Kramer, § 70 StVZO RN 7.
(5) Richtlinien für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nach § 70 StVZO für bestimmte Arbeitsmaschinen und bestimmte andere Fahrzeugarten (Richtlinien zu § 70 StVZO) – siehe Kapitel: „Bei der Planung und Durch-führung eines GST zu beachtende Vorschriften“ und Anhang.
(6) Siehe auch Linhart, Schreiben, Bescheide und Vorschriften in der Verwaltung, § 19 RN 91: Ist bei der einem Verwaltungsakt beigefügten Nebenbestimmung unklar, ob eine Bedingung oder nur eine Auflage vorliegt, so ist durch Auslegung zu ermitteln, ob nach dem erklärten Willen der Behörde der Betroffene, wenn der Nebenbe-stimmung nicht genügt wird, die Gewährung verlieren (bzw. wirksam erst gar nicht erhalten) soll – dann Bedin-gung, oder ob sich die Behörde einen Titel verschaffen will – dann Auflage.
(7) Vgl. auch Ostheimer, S. 4: „Bevor jedoch eine Ausnahmegenehmigung in Frage kommt, sind die gesetzlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Es ist dabei unerheblich, welche Fahrzeuge der Betreffende besitzt.“
(8) Ein Verwaltungsakt (vgl. § 35 des Verwaltungsverfahrensgesetzes- VwVfG) ist eine Einzelfallentscheidung einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts („Bescheid“). Er regelt einen Sachverhalt verbindlich und kann bestandskräftig (unanfechtbar) werden. Der Verwaltungsakt ist zu unterscheiden von einer Rechtsnorm („Gesetz“), die abstrakte Sachverhalte für eine (unüberschaubare) Vielzahl von Fällen regelt (z. B. kein Fahrzeug darf nach der StVZO breiter als 2, 55 m sein; im Einzelfall kann ein bestimmtes Fahrzeug eines bestimmten Unternehmers zum Transport einer bestimmten Ladung auf einer bestimmten Strecke eine Breite von 4m haben). Ebenso zu unterscheiden ist der Verwaltungsakt (VA) von einer unverbindlichen Auskunft.
(9) Nr. 1.2 der Vorbemerkungen zu den Richtlinie zu § 70 StVZO. - Für die (zeitliche) Verlängerung der Ausnah-megenehmigung ist ein sog. „Verlängerungsgutachten“ vorzulegen, aus dem hervorgeht, dass das Fahrzeug gegenüber der ursprünglichen Genehmigung unverändert ist. Die Verlängerung kann auch mit neuen („schärfe-ren“) Auflagen und Bedingungen versehen werden.
(10) Diese Sachverständigen oder Prüfer müssen der jeweiligen Technischen Prüfstelle des Landes im Sinne des § 10 des Kraftfahrsachverständigengesetzes – KfSachvG angehören (in den alten Bundesländern zumeist TÜV, in den neuen oft DEKRA). Der Unterschied zwischen der Technischen Prüfstelle (TP) und der amtlich anerkannten Überwachungsorganisation (ÜO) besteht im Wesentlichen darin , dass die TP auf Grund ihrer Beauftragung verpflichtet ist, die Untersuchungen durchzuführen, während die ÜO auf Grund ihrer Anerkennung berechtigt ist (Bouska Anm. zu BGH Urt. v. 02.11.2000, NZV 2001, 77). Die TP darf Prüfungen auch nur in ihren eigenen Räumen durchführen.
(11) Im Unterschied zur Dauererlaubnis nach § 29 StVO, die sowohl personenbezogene (Zuverlässigkeit) als auch sachbezogenen Elemente (Strecke) aufweist und damit per se nicht übertragbar ist.
(12) Vgl. Lütkes/Ferner/Kramer, a. a. O., § 70 StVZO, RN 2: [Ausnahmen, die mit Allgemeinen Betriebserlaubnis-sen und Allgemeinen Bauartgenehmigungen verbunden sind, gelten nur in Verbindung mit der ABE oder Bau-artgenehmigung.] Sie wirken mit dieser zugunsten der Rechtsnachfolger des Verfügungsberechtigten.
(13) Nr. 1.4 der Vorbemerkungen zu den Richtlinie zu § 70 StVZO.
(14) Zu den Bescheinigungen hat der BMV erklärt (VkBl. 1966, 570): Hängt die Erteilung einer Betriebserlaubnis von der Genehmigung einer Ausnahme ab, müssen die Ausnahme und die genehmigende Behörde im Kfz-Schein bezeichnet werden (§ 20 Abs. 3 Satz 3, § 21 Satz 6 StVZO); stößt die Eintragung von Ausnahmegeneh-migungen (und der damit verbundenen Auflagen) im Schein wegen des begrenzten Raumes der Vorducke auf Schwierigkeiten, so genügt es, dass in die Fahrzeugpapiere nur der wesentliche Inhalt der Ausnahmegenehmi-gung (etwa in Form einer zusammenfassenden Kurzbezeichnung unter Angabe der Paragrafen), das Datum der Genehmigung und die genehmigende Behörde eingetragen werden. Der volle Wortlaut ergibt sich aus der mitzu-führenden Genehmigung selbst (§ 70 Abs. 3a StVZO).
(15) Lütkes/Ferner/Kramer , § 70 StVZO RN 14.
(16) RN 79 VwV zu § 29 StVO.
(17) OLG Düsseldorf, VRS 79, 131.
(18) RN 86 VwV zu § 29 StVO.
(19) Das ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 GG („Grundrecht auf Mobilität“) und aus der Verzahnung von Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht: Die Ausübung des „schlichten“ Gemeingebrauchs an öffentlichen Straßen ist stets Straßenverkehr (Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 1998, S. 105).
(20) So zu einer Erlaubnis zur Durchführung eines Rennens BStMl vom 01.02.86 in: StVO in der Praxis, § 29/16.
(21) Vgl. RN § 84 ff. VwV zu § 29 StVO. Sind diese Voraussetzungen aber gegeben, wird eine Ablehnung kaum ermessengerecht sein.
(22) RN 87 Buchst aa) letzter Satz VwV zu § 29 StVO. - Nach Auffassung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern bezieht sich die Regelung über das Zubehör von Kranteilen nur auf die Zusammenfassung verschiedener Krangewichte auf einem Autokran selbst oder auf einem vom Kran mitgeführten Anhänger.
(23) RN 84 f. VwV zu § 29 StVO
(24) Außer auf Autobahnen – vgl. § 18 Abs. 1 Satz 2 StVO
(25) Vgl. RN 13 VwV zu § 46 StVO.
(26) Das zulässige Gesamtgewicht ist die Summe aus dem Leergewicht des Fahrzeugs und der Nutzlast (= mögliche Ladung).
(27) RN 17, 18 VwV zu § 46 StVO
(28) Oder entsprechenden Bestimmungen der Straßengesetze anderer Länder.
(29) BVerfG, Beschl. v. 10.12.75, VerkMitt. 1976, S. 43
(30) Das ist Privatgrund, der ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung der Verfügungsberechtigten für einen nicht näher bestimmten Personenkreis zur Benutzung zugelassen ist (BGH VRS 22, 185).
(31) Durch den Rechtsakt der Widmung werden die öffentlichen Sachen einem öffentlich-rechtlichen Regime unterstellt, das dem Staat oder dem innerstaatlichen Träger öffentlicher Verwaltung eine spezifische Sach-herrschaft ermöglicht.
(32) Papier, Das Recht der öffentlichen Sachen, S. 106
(33) Vgl. auch OVG Schleswig Urt. v. 29.06.95 Az. 4M 65/95: Bei der übermäßigen Benutzung i. S. d. § 29 Abs. 2 StVO bleibt grundsätzlich die Funktion der Straße, nämlich die Benutzung durch alle Verkehrsteilnehmer, erhalten, es finden lediglich Einschränkungen und Behinderungen des grundsätzlich weiter möglichen und erlaubten Verkehrs statt.
(34) Vgl. Zeitler, BayStrWG, Art. 18 RN 13: Fahrten mit überschweren Fahrzeugen beanspruchen Straßen über den Gemeingebrauch hinaus und sind nach den materiellen Voraussetzungen Sondernutzung
(35) Ebenso § 8 Abs. 6 FStrG und entspr. Vorschriften anderer Landesstraßengesetze.
(36) Zeitler, Art. 21 RN 11.
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